Einleitung Grünlande Tjanad Windlande Belar Edening Trutz Nachwort

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Im kurzen Sommer ist die Ebene bedeckt von Gras und den unterschiedlichsten Blütenpflanzen, unter anderem dem als Gartenpflanze so beliebten Hasenköpfchen. Junges Leben sprießt, kriecht, tapst und flattert überall und wächst rasend schnell heran, um beim ersten Schneefall um die Mitte des Erntemondes stark genug zu sein, den harten Winter mit seinen Stürmen, Schneemassen und eisigen Temperaturen zu überleben.
Einige der letzten Wildpferdeherden Noilas haben sich hier gehalten. Sie verbringen den Sommer im Hochland und ziehen im Winter in die Grünlande hinab zu ihren dort lebenden Artgenossen.
Außer den Pferden finden sich an großen Säugetieren in den Windlanden nur noch zwei Arten: der Wolf, der hier in großen Rudeln das Land durchstreift, und der Windlandhase, ein wehrhaftes, gruppenbildendes Tier, das an Schulterhöhe oft bis zum menschlichen Knie reicht. Die Gefahr, die von einer sich angegriffen fühlenden Hasengruppe ausgeht, ist darum nicht zu unterschätzen - es empfiehlt sich, in dieser Gegend eine Waffe zur Hand zu haben!

Hasen prägen denn auch neben dem Silberfinger das Leben der hier lebenden Menschen. Es sind ausschließlich Gelbmäntel, die in dieser schneereichen Umwelt aber nicht ihrer in Ostnoila üblichen Lebensweise als nomadische Schafhirten folgen können. Statt dessen haben sie sich auf die Hasen- und Wolfsjagd verlegt und verkaufen ihre Felle bis nach Trutz. Da die Windlande nicht unter der Herrschaft des Königs stehen, sind sie neben den wenigen Grünlandenern tatsächlich die einzigen Menschen in ganz Noila, die keine Steuern zahlen. Sie sind deshalb Trutznoila nicht so feindlich gesinnt wie die Gelbmäntel auf der Wolfsplatte im Osten - und daher auch viel häufiger in den Städten zu sehen als diese. In ihrer Kultur unterscheiden sie sich nicht sehr von jenen: Pferde sind auch bei ihnen der größte Besitz, auch sie leben in Filzzelten - nur im Winter bauen sie sich Häuser aus Schneeblöcken. Anders als ihre Pferde, die mit ihren wilden Verwandten in die Täler ziehen, harren die Menschen auch in dieser harten Jahreszeit in den Windlanden aus.

 

 
 

Ein heftiger Windstoß blättert das Buch gleich mehrere Seiten weiter. Du schlägst es zu und reibst dir über die Arme, die schon mit einer Gänsehaut versuchen, die Kälte abzuwehren.

Schön ist es zweifellos hier. Du stehst an der Steilküste eines Fjordes, dessen Wände sich mehrere hundert Meter fast senkrecht in das dunkelblaue Wasser hinabsenken. Nach links verliert er sich in Windungen und einigen leichten Hügeln, die dir die Sicht auf seinen weiteren Verlauf bis zur Mündung nehmen, rechts senkt sich das Gelände sanfter zum letzten Ausläufer des Fjordes hinab. Du aber stehst über all dem und kannst, wenn du den Blick von dort in die Ferne schweifen lässt, im klaren Licht wieder einmal die Silhouette des Mittelkammes sehen, der sich rechts von dir über den gesamten Horizont erstreckt. Du schaust geradeaus - und kannst tatsächlich den Silberfinger erkennen: ein riesiger, spitzer Berg, der sich über alle andern Gipfel erhebt und in der Sonne bläulich weiß glitzert.

Hinter dir erfüllt plötzlich dumpfes Trommeln die Luft. Du drehst dich hastig um - und siehst in etwa zehn Metern Entfernung einen wahrhaft gigantischen Hasen hocken und mit den langen Hinterläufen auf den Boden klopfen. Seine Ohren liegen flach am langen Kopf an, und seine bernsteinfarbenen Augen verfolgen jede deiner Bewegungen. Sein Fell ist irgendwie grünlich, aber du hast keine Zeit, dir darüber irgendwelche Theorien auszudenken, denn jetzt kommen in rasendem Lauf, der den Boden unter deinen Füßen zittern macht, drei weitere Hasen heran, zwei davon eher beigefarben, der dritte dunkler grüngrau als der trommelnde. Alle vier stellen sich mit der Flanke zu dir in einem Halbkreis auf, die Ohren angelegt, die Hinterläufe drohend zuckend.
Ganz vorsichtig und langsam hockst du dich hin, um weniger bedrohlich auszusehen. Frieren tust du jetzt jedenfalls nicht mehr, im Gegenteil.
Nach einer Weile beruhigen sich die Tiere dann aber tatsächlich und ziehen ab, misstrauisch immer wieder zu dir zurückschauend.

Du schaust noch einmal an den Himmel, wo ein großer Greifvogel seine Kreise zieht, pflückst eines der hübschen, seltsam geformten gelben Hasenköpfchen, die den Boden in Massen bedecken und steckst es in die Tasche - dann nimmst du den Reiseführer wieder hervor und blätterst weiter.

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