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indflug Tinthand wurde im Erntemond 695 als einzige Tochter eines untergeordneten städtischen Beamten in Wasserblick geboren. Sie war schon als Kind ein sehr eigenwilliger Charakter, und sie hatte das Glück, einen Vater zu haben, der seine Tochter so liebte, dass er ihr sehr viele Freiheiten ließ und ihr sogar Unterricht gab.
Als er bei einem Unfall ums Leben kam, war sie bereits 21 und immer noch nicht verheiratet, weil Tinthand ihr auch bei dieser Frage Mitsprache zugestanden hatte. Jetzt drohte ihr eine Zwangsheirat oder das Witwenheim - also schnitt sie sich die Haare kürzer, bediente sich im Kleiderschrank ihres Vaters und flüchtete als Mann verkleidet.
Jahrelang genoß sie die Freiheit, die das mit sich brachte, studierte sogar eine Zeitlang in Wissenburg, aber lange hielt sie das Bücherstudium nicht aus. Sie wollte nicht über Dinge lesen, sie wollte sie selber sehen.
Auf diese Weise kam sie auf dem ganzen Kontinent herum, freundete sich mit einem Nasdewín an, verbrachte fast ein Jahr in Tjanad und Belar und reiste schließlich in seiner Begleitung weiter. Sie machte Aufzeichnungen, er zeichnete beinahe alles, was er sah. Sie besuchten die Grün- und die Windlande, kehrten noch einmal für längere Zeit nach Belar zurück, und dann ging Windflug allein weiter zu den Nordenern - wegen ihrer langen Abwesenheit von menschlichen Siedlungen nicht wissend, dass zwischen diesen Nomaden und Trutznoila inzwischen eine Art Guerilla-Krieg ausgebrochen war.
Dementsprechend wurde sie als Trutznoilaner gefangengenommen und sollte als Druckmittel benutzt werden - allerdings entdeckte man dabei, dass sie eine Frau war. Da war sie natürlich als Geisel nicht viel wert. Gehengelassen wurde sie trotzdem nicht, schon weil sich einer der Rebellen für sie zu interessieren begann - trotz ihrer inwischen 29 Jahre und ihres doch eher herben Äußeren. Sie fand ihn zwar gar nicht mal so schlecht, aber sie hatte weiterhin keine Lust, sich von einem Mann vorschreiben zu lassen, was sie zu tun und zu lassen hatte. Nach fast drei Jahren gelang es ihr zu fliehen.
Sie streifte noch einige Jahre umher, hielt sich lange Zeit in den Ruinen von Edening auf und erforschte die Geschichte Noilas (ein seltenes Interesse, unter den Menschen Noilas interessiert sich nämlich keiner dafür. Geschichte gilt offiziell als sinnlos, man hat die Zukunft im Auge zu haben, nicht die Vergangenheit), dann lebte sie bis zu ihrem 40. Lebensjahr in den Bergen bei Tjanad, in der Nähe ihres Freundes Anhidaf und seiner Frau.
Nach Anhidafs Tod überkam sie die Reiselust wieder. Mit 44 Jahren starb sie im kurz vor den Jahrfeuertagen 739 in einer Lawine im südlichen Mittelkamm.
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